Ein Ort des Verbrechens
Alteingesessene Joachimsthaler wissen von einem Ort der „Schwedentotschlag“ oder „Toter Mann“ genannt wird, oder besser bekannt ist als „Judentotschlag“. Er befindet sich etwa 2 km von der Seniorenresidenz entfernt in Richtung Parlow, rechts neben der Straße. Zur Namensentstehung gibt es zwei unterschiedliche Geschichten: Die Variante vom „Schwedentotschlag“ ist in dem 1873 erschienenem Büchlein „Der Heidereiter von Grimnitz“ zu finden. Darin erzählt Otto Brennekam, der Rektor der Schule in Joachimsthal war, wie es zu dieser Bezeichnung gekommen sein soll. Hier die Kurzfassung: Während des Dreißigjährigen Krieges bewohnte der Kürfürstliche Schlossverwalter und Heidereiter Hahn mit seiner Familie die Burg Grimnitz. Die 18-jährige Tochter Katherine sollte gegen ihren Willen den wesentlich älteren Kantor und Magister der Fürstenschule, Regius, heiraten. Sie hatte sich aber in den schwedischen Oberst Baly verliebt, der in der Burg Quartier genommen hatte. Da die Eltern gegen eine Verbindung mit dem schwedischen Offizier waren, brannte sie mit ihm durch. Der Familienvater Hahn sowie der Magister Regius ritten ihnen in Richtung Mellin nach, um Katherine zurück zu holen. Unterwegs wurden sie von schwedischen Truppen aufgehalten. Es kam zum Streit. Dabei wurde der Kantor durch einen Schwertschlag von einem schwedischen Rottmeister (Führer einer Landsknechtsrotte) schwer verletzt und verstarb. Er wurde am gleichen Ort begraben. Ein Holzkreuz mit seinem Namen „Regius“ als Aufschrift wurde aufgestellt. Die Tochter des Heidereiters, die von all dem nichts erfuhr, ist auf ihren Wunsch noch am selben Tag in Greiffenberg mit dem schwedischen Offizier verheiratet worden. Gemeinsam zogen sie nach Stralsund, ihrem neuen Wohnort. Jahre später, am 5. Januar 1636, kam es nördlich von Joachimsthal zu einem Kampf zwischen schwedischen und kaiserlichen Truppen, an dem auch der Oberst Baly teilnahm. Im Kampfgetümmel stürzte er vom Pferd, brach sich das Genick und verstarb. Seine Gemahlin Katherine, die dem Kampfe zugesehen hatte, ließ den Toten auf eine kleine Erhöhung legen. Da fiel ihr Blick auf ein kleines Kreuz hinter dem Hügel. Sie las die Aufschrift und schrie laut: „Regius“. Der Hügel, auf den sie ihren toten Mann hatte legen lassen, war die Grabstelle des Kantors Regius, den sie einst heiraten sollte. Der Schwede Baly fand auf ihren Wunsch hin, neben Regius sein Grab, das ebenso mit einem Holzkreuz versehen wurde. „Und als die Holzkreuze im Walde verwitterten und die Hügel einsanken, da haben die Leute Fichtenreiser darauf geworfen, das Andenken zu erhalten, und die Stätte den „Schwedentotschlag“ geheißen. Ihre Nachkommen haben die Erinnerung bewahrt und erhalten den grünen Reisighaufen bis auf den heutigen Tag“ Die Namen der Personen, die der Autor in seinem Buch verwendete, sind frei erfunden. Eine andere Variante zur Namensgebung berichtet Rudolf Schmidt im „Sagenschatz des uckermärkischen Kreises Angermünde“: „Vor mehr als hundert Jahren kam ein jüdischer Handelsmann mit einem ‚Buttchen‘ auf dem Rücken von Parlow her die Straße entlang, die jetzt am Schützenhause vorüber nach Joachimsthal führt. Bunte Seidentücher, welche die Mädchen gern tragen, und andere schöne Sachen, die er in der Stadt und in Grimnitz verkaufen wollte, trug er bei sich. Im dichten Walde, etwa eine Viertelstunde vom Schützenhause, begegneten ihm zwei junge Burschen von der Plantage; sie schlugen ihn nieder und durchwühlten seine Taschen und Kästen nach Geld; doch nur drei Pfennige fielen ihnen zur Beute. Daher raubten sie sein Warenpäckchen aus und nahmen vor allem die schönen bunten Seidentücher an sich, welche sie ihren Bräuten schenkten, die in Grimnitz dienten. Die putzten sich damit und stolzierten die Straße auf und ab. Dadurch kam aber die Sache heraus; die Burschen wurden zum Tode verurteilt und auf dem Galgenberge hinter dem Schützenhause gehängt. Doch an der Stelle, wo der arme ‚Buttchenträger‘ erschlagen worden war, häuften Vorübergehende, um die Stelle zu bezeichnen, Reisigzweige, besonders vom Wachholder, der dort wächst, und tief in die Rinde einer daneben stehenden Kiefer schnitt man ein Kreuz.
Jedermann kannte nun die Stelle, die man den „Totschlag“ oder den „Toten Mann“ nannte, und warf, wenn er des Weges kam, sein Zweiglein auf den Haufen. Bald war der Hügel groß, bald war er klein, und zuweilen zündete man ihn wohl an und ließ ihn niederbrennen. Bei solcher Gelegenheit kam auch die Kiefer mit dem Kreuz zu schaden, und darum steht sie heut nicht mehr da. Im Laufe der Jahre hat mancher die alte Geschichte und den Brauch vergessen, ... ist der Reisighaufen niedriger geworden. Zuweilen war er schon ganz fort, doch er entsteht immer wieder und ist bald klein, bald groß.“ Soweit die Geschichten über die Vorkommnisse an der Straße zwischen Parlow und Joachimsthal. Ob und was sich wirklich zugetragen hat ist unbekannt. Tatsache ist, dass Bürger beider Orte über viele Jahre hier im Gedenken und in Erfurcht – einer uralten märkischen Tradition folgend - beim Vorübergehen Zweige ablegten, so dass bis vor wenigen Jahrzehnten ein Reisighaufen zu sehen war. Dann geriet die Tradition in Vergessenheit, der Reisighaufen verschwand und mit ihm die Kenntnis des genauen Tatortes. Im Jahr 2004 spürte die Arbeitsgruppe „Geschichte und Legenden“ des Heimatvereins Joachimsthal einen alteingesessenen Parlower auf, der als Fuhrmann noch selbst manchen Zweig abgelegt hatte und den genauen Ort zeigen konnte. – Ein neuer Reisighaufen wurde angelegt und ein Findling mit der Aufschrift TOTER MANN aufgestellt.
Vielleicht wirst du, lieber Leser, diesen Ort auch einmal besuchen, dem schaurigen Geschehen gedenken und ein Reis ablegen?
Heimatverein Joachimsthal
AG „Geschichte und Legenden“